top of page

Beim Friseur

Januar 2025 - Granada

 

Der Friseur hat kein Gehör,

tut, was er will, er ist sein eigener Herr.

 

Was darfs denn sein, fragt er verwegen,

um eine Antwort ist er nicht verlegen.

 

Aufmerksamkeit erheischend grinst er mich an,

schon fliegt der Umhang und man ist dran.

 

Er greift mit seinen Krallen in dein Haar,

wie wärs mit Strähnchen hier und da?

 

Beim Waschen legst du dich zurück,

bis zum Genickbruch fehlt nur ein Stück.

 

Was du auch möchtest, er hört es nicht.

Es bläst der Föhn dir ins Gesicht.

 

Aber bitte nicht zu viel, sagst du noch kleinlaut,

er schon mit der Schere reinhaut.

 

Aus langem Haar zaubert er im Handumdrehen

eine Fashionfrisur, sowas hast du noch nicht gesehen!

 

Er weiß genau, was einem steht,

es sich immer um neue Tendenzen dreht.

 

Bin das wirklich ich im Spiegel?

Der Friseur ackert emsig mit dem Striegel.

Wie Rumpelstilzchen springt er umher,

die Schere klappert,

das Haar am Boden wird immer mehr.

 

Er ist voll konzentriert,

die Haarpracht wird gestutzt ganz ungeniert.

Ein bisschen hier, ein bisschen da,

schnippel schnappel, ich bin nicht mehr,

der ich mal war.

 

Ich lass es über mich ergehen,

es wächst ja nach, es wird mir stehen!

 

Am Schluss dreht er den Stuhl herum:

Na, wie finden Sie es?

Die Antwort ist klar, ich bin ja nicht dumm.

 

Ich erleichtert, erhebe mich.

Ganz entgeistert erlebe ich,

wie sich mein Haar gelichtet hat.

Wo Haar war, ist jetzt nichts anstatt!

 

Super, jetzt seh ich wieder menschlich aus.

Doch kaum bin ich zur Tür hinaus,

steh ich wacklig auf dein Beinen,

jetzt möchte ich am liebsten weinen.

 

Bis zum nächsten Mal,

wenn es wieder soweit ist.

Der Friseur ist eine Seelenqual,

fast so schlimm wie der Dentist.

 

Und die Moral von der Geschicht,

Frisör reimt sich auf Maleur,

was man will das kriegt man nicht.

© 2015 by Olivia Vetters. Proudly created with Wix.com

bottom of page